Rezension Orgellandschaft Niederlausitz
Orgellandschaft Niederlausitz
»Im Gebiet der Peitzer Teiche« Vol. 13
Der polnische Orgelprofessor Slawomir Kaminski spielt polnische Orgelwerke des 16.- 20. Jahrhunderts an den Orgeln in Peitz, Drachhausen, Tauer, Heinersbrück und Jänschwalde
Rezension Orgellandschaft Niederlausitz Monographien
Doberlug
Orgellandschaft Niederlausitz Monographien
St. Marien Doberlug
Interpret: Jaroslav Tuma
aus der Reihe "Orgellandschaft Niederlausitz - Monographien"
Label: Harp
Dass im Osten Deutschlands, in der Niederlausitz, nicht wenige unbekannte, dennoch sehr hörenswerte Instrumente zu finden sind, ist bekannt. Umso besser, dass sich Jaroslav Tuma zusammen mit dem Label harp eines dieser Instrumente angenommen hat, welches dazu von einem der bedeutensten deutschen Orgelbauer, von Wilhelm Sauer, in der ehemaligen Zisterzienser-Klosterkirche St. Marien Doberlug, einer kleinen Stadt in der Niederlausitz, als Opus 209 erbaut wurde.
Um es vorweg zu nehmen: Höhrenswert ist diese CD auf jeden Fall! Zum Erbauungsjahr der Orgel (1874) angemessen und durchdacht ausgewähltes Repertoire verschiedenster romantischer Komponisten lässt die Orgel unter den Händen des kundigen Interpreten Tuma ihre Stärken im Bereich der fein ausdifferenzierten Klangfarben, der dynamischen Steigerung und den klanglichen Gegensätzen von fortissimo bis pianissimo ihre Stärken voll ausspielen. Dass dabei nicht nur deutsche Komponisten auf dem Programm stehen, sondern auch Komponisten der französischen (Jospeh Bonnet, Louis Vierne), der italienischen (Marco Enrico Bossi) sowie der osteuropäischen (Jaroslav Václav Vacek, Joseph Krejci, Aleksandr K. Glasunov) Romantik, unterstreicht die Vielseitigkeit von Orgel und Interpret. Mit Stücken von Anton Bruckner und Rudolf Palme sind auch zwei eher selten auf der Orgel gehörte Komponisten mit vertreten.
Das Hören der CD ist eine wahre Freude. Von kräftigen Forte-Mischungen mit Cornett über zarteste Farben mit ätherischer Voix céleste bis hin zu Streichermischungen verschiedenster Art, betörend schönen Flötensoli und sägenden Gambenparts ist für jeden Geschmack etwas dabei. Besonders in der Orgelsonate des bisher (leider!) relativ unbekannten Komponisten Vacek kommt die Orgel unter den kundigen Händen von Jaroslav Tuma, der dieses Werk, was sich weder hinter Mendelssohns noch Rheinbergers Orgelsonaten zu verstecken braucht, wunderbar vielfarbig spielt, zu ihrer vollen Farbenpracht. Von Fortissimo bis zum zartesten Schwellwerks-Pianissimo mit Flötensolo im Hauptwerk ist die volle farbliche Bandbreite einer romantischen Orgel ausgebreitet, quasi im Exempel statuiert worden. Schon allein dieses Werkes wegen ist die CD ein Hochgenuss für die Liebhaber romantischer Orgelmusik. Doch auch die französischen Werke sind überzeugend und spannungsvoll dargeboten, besonders die „Berceuse D-Dur“ von Bonnet ist ein einziger Genuss beim Hören, ebenso Viernes „Prelude D-Dur“, in welchem Schwellwerk und Hauptwerk wirkungsvoll einander gegenüber gestellt und die Gegensätze dieser beiden Werke deutlich werden.
Bruckners „Vorspiel und Fuge c-Moll“ beschließt die CD, wobei der Interpret hier die Orgel nochmals in ihrer vollen Stärke, mit dem vollen Werk, erklingen lässt.
Tumas Spiel präsentiert sich auf dieser Scheibe als geschliffen und fließend, mit wohlüberlegten Registrierungen und ausgeprägtem Klangverständnis, lediglich an einigen Stellen beeinträchtigen einige unmotiviert wirkende Rubati – wie in der „Fuga“ von Vacek – den Fluss der Musik, weil das für eine Fuge wichtige rhythmisch-fließende Gebilde für einen Moment ins Wanken gerät, ebenso bei Rheinbergers „Alla marcia“, wo zusätzlich der Einsatz der Posaune 16' schon beim mezzoforte Fragen aufwirft, einfach weil die kräftige Posaune mit ihrem markanten, keineswegs aufdringlichen Ton im Mezzoforte von der Klangfarbe her nicht passt.
Klanglich besticht die CD neben dem tollen Orgelklang mit einer sehr räumlich geratenen Aufnahmetechnik, sodass man meint, Standorte verschiedener Register ausmachen zu können. Fraglich bleibt, ob die Orgel in der doch nicht kleinen Kirche genauso transparent und durchsichtig klingt wie auf der Aufnahme, wo fast jeglicher Nachhall verschwunden ist. Eine Geschmacksfrage sind die teilweise zu hörenden Trakturgeräusche der mechanischen Traktur, welche den Hörgenuss aber auch im Pianissimo nicht beeinträchtigen.
Das schön gestaltete Booklet, welches leider fest an die (sehr wertige!) CD-Hülle mit der schönen Orgel-Zeichnung auf der Vorderseite gebunden ist, enthält neben der Disposition der Orgel auch Informationen zu Kirche, Orgel (und deren Geschichte) sowie zum Interpreten, in drei verschiedenen Sprachen. (Deutsch, Englisch, Tschechisch). Die Erläuterungen zur Orgel sind auch für Orgel-Laien sehr gut verständlich und geben einen Einblick in die Welt der romantischen Orgel.
Neben der Disposition der Orgel sind dort auch die Abkürzungen der jeweiligen Register angegeben, sodass langes Rätseln beim Verfolgen der ebenfalls im Booklet angegebenen Registrierungen entfällt. Sehr gut gemacht ist, dass das „Wichtigste“ des Booklets, die Disposition und die Registrierungsangaben, als Erstes im Booklet angegeben werden, langes Blättern ist nicht nötig. Schöne und qualitativ sehr gute Fotos runden das dicke, auf hochwertigem Papier gedruckte Booklet ab.
Kurzum: Eine sehr empfehlenswerte Platte für Freunde der romantischen Orgelmusik, für Kenner der ostdeutschen Orgellandschaft und solche, die es werden wollen, auf jeden Fall ein Muss. Top!
Johannes Richter - für www.orgel-information.de
August 2016 / Februar 2017
Rezension Orgellandschaft Niederlausitz Monographien Großräschen
Jehmlich-Orgel Großräschen
Orgellandschaft Niederlausitz Monographien
St. Antonius Großräschen
Interpret: Anna Firlus
aus der Reihe "Orgellandschaft Niederlausitz - Monographien"
Label: Harp
Ausschnitt:
"Über die rührigen Niederlausitzer Orgelfreunde und ihre weit fortgeschrittene Dokumentation der dortigen Orgelllandschaft hatte ich hier schon wiederholt berichtet. Nun erschien eine CD aus der St. Antonius-Kirche in Großräschen. Die Orgel wurde 1978 von Jehmlich erbaut, 1996 und 2003 erweitert. Ihr Grundcharakter ist neobarock. Gleichwohl läßt sie Gravität und Farbigkeit nicht vermissen.
Interessant ist - wie bei der ganzen Niederlausitzer-CD-Reihe - wieder das musikalische Programm. Hier findet sich nämlich neben Buxtehude Präludium g-moll BuxWV 148 und Bach P+F h-moll BWV 544 auch weniger Bekanntes: Da wären zuerst drei Kompositionen von Wilhelm Rudnick zu nennen: Aus „Sieben Passions-Vorspiele" op. 39 „Herzliebster jesu, was hast du verbrochen“ und “ Marter Gottes - Herr und Ältster“ sowie die 5. Sonate d-moll op 62. Alles sehr ansprexchende Musik im spätromantischen Stil. Zeitgenosse Rudnicks ist Bruno Stein (1873-1915), der hier mit drei kurzen Präludien über „O Haupt voll Blut und Wunden“ vertreten ist. Moderne Kompositionen von Waldemar Krawiec (+1964) und Jerzy Bauer (*1981) runden das Programm ab.
Dessen kundige Sachwalterin ist Anna Firlus, die u. a. Bei Julian Gembalski und Marek Toporowski studiert hat und seit 2010 regelmäßig beim internationalen Niederlausitzer Orgelfestival auftritt.
Es handelt sich zwar nicht um eine historisch besonders wertvolle, nicht um eine besonders spektakuläre oder große Orgel: Aber der Repertoirewert der Scheibe ist beachtlich, Darbietung und Edition (reich bebildertes Beiheft mit allen Registrierungen, deutsch, englisch, polnisch, 84 Seiten) sind vorbildlich.
Clemens Schäfer, Düsseldorf - für www.pfeifenorgelform.net
15. Januar 2021
Diese Monografie der Großräschner Jehmlich-Orgel in St. Antonius ist ein weiteres musikalisches Kleinod aus der Niederlausitzer Orgellandschaft, mit dem die Reihe zu ihrem Ursprungsort zurückkehrt. Anna Firlus bringt uns eine Passionsmusik aus Werken alter und lebender Meister zu Gehör. Tragendes Motiv sind Bearbeitungen bekannter Passionslieder von Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach. Sie werden durch Stücke weniger bekannter Komponisten, wie Wilhelm Rudnick und Bruno Stein, insbesondere aber durch alte und moderne Werke polnischer Komponisten ergänzt bzw. kontrastiert. Wir hören, wie Anna Firlus deren unterschiedliche musikalische Mittel zu einem meditativen Konzert fügt, in dem die Ausdrucksmöglichkeiten verschiedener Jahrhunderte als allgemeinverständliche musikalische Sprache erscheinen. Ihr Spiel ist farbig, die Registrierung ist lebendig, kontrastreich und transparent. Wie andere auch kammermusikalisch engagierte Organisten verzichtet Anna Firlus, darauf, uns die Würde einer Königin der Instrumente mit Fülle auf die Ohren zu schlagen. Wer einmal ein Konzert in St. Antonius gehört hat, wird sich beim Hören dieser auch technisch ausgezeichnet produzierten CD sofort wieder dort zu Hause fühlen.
Christian von Faber, Luckenwalde
Februar 2021